Presseanfragen

Liebe_r Redakteur_in!

Vielen Dank für dein Interesse an der Initiative Ehe ohne Grenzen. Da wir immer wieder Anfragen von Journalist_innen erhalten, die einerseits betroffene Paare interviewen und fotografieren wollen, und andererseits Informationen von unserer Initiative einholen, möchte Ehe ohne Grenzen an dieser Stelle einige grundlegende Punkte festhalten:

Wir sehen unsere Aufgabe darin, die besonderen Formen der Diskriminierung von Menschen zu thematisieren, die in verschiedener Art und Weise von den in Österreich geltenden Fremdengesetzen betroffen sind. Ziel unserer Initiative ist es, die Position der betroffenen Menschen zu verbessern. Dabei verstellt der Blick auf den überwältigend tragischen Einzelfall oft die Sicht auf die Struktur des Fremdenrechtspaketes, dessen Ziel die Behinderung von Migration und Integration ist.

Fremdenrechtspaket 2006ff
Das geltende Fremdenrechtspaket ist voller Unterstellungen: „Scheinehen“ und  „Visatourismus“ seien zu verhindern, „Sozialschmarotzertum“ müsse eingedämmt werden und österreichische Bürger_innen seien zu beschützen. Die Verhinderung von unkontrollierter Einwanderung und die Überregulierung des Aufenthaltes von Fremden in Österreich könnten den Eindruck erwecken, dass Begegnungen zwischen internationalen und österreichischen Menschen nahezu unmöglich sind, dennoch finden sie im global vernetzten Österreich ebenso statt wie anderswo.

Die Idee einer „Binnenheirat“ als Norm war schon immer obsolet. Statistisch erhobene Zahlen zeigen, dass sich binationale Eheschließungen durch Gesetze nicht verhindern lassen. So war bei 27,8 Prozent der 2004 in Österreich geschlossenen Ehen ein_e Partner_in nicht österreichische_r Staatsbürger_in, im Jahr 2012 lag der Anteil bei deutlich reduzierten 17,7 Prozent, 2015 bei 22,77%*[¹]. Wenn internationale Begegnungen zur Beziehung und Eheschließung, Verpartnerung oder Familiengründung führen, kann Ehe ohne Grenzen den binationalen Paaren in den diversen Fremdenrechtsverfahren, die sie in Österreich durchlaufen müssen, beratend und unterstützend zur Seite stehen – wir sehen unsere Aufgabe im Empowerment durch betroffene Expert_innen. Zusätzlich ist uns als Ehe ohne Grenzen wichtig, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Probleme zu schaffen, mit denen binationale Paare und Familien, vor allem, wenn der ausländische Teil nicht aus einem EU-Staat kommt, konfrontiert sind.

Einkommensgrenzen
Hauptproblem sind in erster Linie die hohen Einkommensgrenzen, die erfüllt werden müssen, um eine Niederlassungsbewilligung für den/die ausländische_n Partner_in in Österreich zu erhalten.

Momentan liegen diese Einkommensgrenzen bei 12×1.625,71 € netto pro Jahr für ein Paar, dazu kommen 159 € pro Kind und die jeweiligen Mietkosten minus der „freien Station“ von 309,93 €. Das macht bei einem Paar, das in einer billigen Wohnung (600 Euro) lebt und ein Kind hat, rund 2.100 € netto pro Monat, die als Einkommen nachgewiesen werden müssen. (Stand 2021)

Ungleichbehandlung vonr Frauen und Männern
In dem Zusammenhang unterstreichen wir besonders die Ungleichbehandlung von österreichischen Frauen gegenüber österreichischen Männern. Wenn die Einkommenslage nachgewiesenermaßen um ein Drittel schlechter für Frauen ist, dann ist eine gleich hohe Einkommensgrenze für alle diskriminierend gegenüber einer Geschlechtergruppe in der österreichischen Gesellschaft!

Deutschlernen
Weitere Probleme erzeugt der ständige Druck zum Deutschlernen. Für eine Aufenthaltsgenehmigung ist der Nachweis von Deutschprüfungen notwendig, Mehrsprachigkeit wird ignoriert, die Anerkennung von absolvierten Ausbildungen im Ausland dauert Jahre, sonstige Bildungs- und Aufstiegschancen werden den Menschen kaum angeboten. Unter Umständen ist die Beantragung eines Aufenthaltstitels für Österreich nur aus dem Ausland möglich, das kann dazu führen, dass ein Elternteil für unbestimmte Zeit nicht mit seiner Familie leben und für sie sorgen kann. Die Trennung von Familien auf unbestimmte Zeit erfolgt ohne Rücksicht auf das Recht der Kinder auf die Betreuung durch beide Elternteile.

Gemeinsames Familienleben
Warum viele Menschen noch immer glauben, der/die ausländische Ehepartner_in erhalte nach der Eheschließung automatisch einen Aufenthaltstitel oder sogar die österreichische Staatsbürgerschaft, ist uns ein Rätsel. Die freie Wahl des Ortes für ein gemeinsames Familienleben wird von den österreichischen Behörden nicht als selbstverständlich anerkannt.

Zum Themenkomplex „Scheinehe“ will EOG Folgendes anmerken:
Scheinehen im Sinne eines Straftatbestandes (§ 117 FPG), nämlich dass ein_e „Ehepartner_in“ Geld nimmt, um jemanden zu heiraten, der_die sich dafür eine Aufenthaltsgenehmigung erhofft, gab es, gibt es und wird es wahrscheinlich immer geben. Fakt ist, dass die Strafandrohung dazu benützt wird, jedwede Form der (ehelichen) Partnerschaft und Familie von Österreicher_innen mit drittstaatsangehörigen Partner_innen und Kindern in Frage zu stellen, zu kriminalisieren und zu behindern.
Aktuelles Material von Ehe ohne Grenzen zum Thema

Motive für eine Heirat sind nicht von Interesse
Was der Sachverhalt „Scheinehe“ mit der Initiative Ehe ohne Grenzen zu tun hat, ist für uns nicht auf einen Blick ersichtlich. Ehe ohne Grenzen berät Paare, als Einzelperson oder auch zu zweit, über ihre rechtliche Situation, von einer Heiratsabsicht bis zur Beantragung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die Motive für eine Heirat sind dabei nicht von Interesse.

Interviewpartner_innen
Anfragen betreffend Interviewpartner_innen können wir in Einzelfällen an die mit unserer Initiative verbundenen Menschen weiterleiten. Ob sich Paare melden werden, die ihre fremdenrechtliche Situation in Österreich veröffentlicht wissen wollen, wissen wir nicht und wir sind zum Schutz der Betroffenen auch nicht bereit, darauf besonderen Einfluss zu nehmen.
Paare, die getrennt voneinander auf verschiedenen Kontinenten leben müssen, weil von ihnen Auslandsantragstellung verlangt wurde, die verknüpft wird mit zunehmend schwierigeren Bedingungen wie Einkommenshöhe und Spracherwerb vor Zuzug, tun sich schwer mit der Veröffentlichung ihrer Situation. Die Dauer der Trennung, die Angst vor der Gefährdung ihrer Verfahren und vor Verfolgung in nicht demokratisch geführten Drittstaaten erzeugen eine Belastung, die für durchschnittliche Zeitungsleser_innen nicht nachvollziehbar ist.

Zur Frage nach Paaren, die sich fotografieren lassen wollen:
Aus der Erfahrung zeigt sich, dass viele Redakteur_innen bei der Anfrage nach Fotos bereits eine Vorstellung haben, wie dieses Paar aussehen soll: jung, fesch und idealerweise nicht mit derselben Hautfarbe. Werden Fotos verweigert, helfen sich Medien oft mit „Symbolbildern“ von einer schwarzen und einer weißen Hand.
Stereotype Darstellungen dieser Art möchte Ehe ohne Grenzen nicht unterstützen, sie entsprechen nicht den mit uns verbundenen Menschen. Exotistisch angehauchten Voyeurismus wollen wir nicht bedienen. Sollten Sie bei Ihrer Anfrage also Bilder dieser Art im Kopf haben: Wenden Sie sich bitte nicht an uns!
Gemeinsam mit Künstler_innen versuchen die Mitglieder von Ehe ohne Grenzen Bilder und Zeichen für ihre Betroffenheit zu finden, Sie werden auf unserer Homepage zahlreiche Hinweise finden.
Die sorgfältig gestaltete filmische Dokumentation 727 Tage ohne Karamo, in der die verzweifelte Lage von getrennt lebenden Paaren in angemessener und künstlerisch ausdrucksstarker Form dargestellt wird, so dass die direkten Auswirkungen eines Gesetzes auf den Alltag von Menschen spürbar werden, ist nur ein Beispiel unter vielen. Weitere aktuelle Besipiele: Begegnung mit Familie Grenzenlos, Bsp: Aktion Braustraußwerfen und Scheinehekontrolle, uvm.;

[¹]* Quelle: Statistik Austria; weitere Zahlen findet Ihr in unserem Hintergrundbericht „Begegnung mit Familie Grenzenlos„;