Über die Angst, abgeschoben zu werden

„Wir sind unendlich Dankbar für die Unterstützung von EOG, denn Paare wie wir haben einen harten und holprigen Weg vor sich – dieser wird Dank EOG um einiges leichter.“

„Als ich mich in meiner Ausbildung befand, zog ein Mädchen samt ihrer ganzen Familie in meinen Hausblock ein. Wir liefen uns immer wieder über den Weg.“

Nach langem Zögern beschloss ich, sie anzuschreiben. So kamen wir ins Gespräch und wir machten uns sogar sofort ein Treffen aus. Wir verstanden uns auf Anhieb wundervoll. Es folgten immer mehr und mehr Treffen, bis wir insgesamt drei Monate lang jeden Tag etwas gemeinsam unternommen hatten. Schließlich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und bot ihr an, mit mir offiziell eine Beziehung zu führen. Schüchtern stimmte sie diesem Angebot zu und so fing unsere gemeinsame Reise an. Rückblickend war es eine klischeehafte Sommerliebe, die nie zu Ende ging. Nun sind wir seit 4 Jahren glücklich zusammen und auch schon ein halbes Jahr lang verheiratet.

Eine Reise mit meinen Freunden nach Amsterdam war schon längere Zeit geplant. Natürlich fragte ich meine Freundin, ob sie mit uns diesen Ausflug machen möchte. Da offenbarte sie mir, dass sie nicht ins Ausland fahren darf und das schon seit insgesamt 12 Jahren ihres Lebens. In diesem Moment fand ich das so schockierend, weil es für mich immer eine Selbstverständlichkeit war, dass man ab und zu in den Urlaub ins Ausland fährt.
Für sie wiederum war es eine Selbstverständlichkeit, dass man bei einer Sprachreise nicht mitfährt und in der Schule bleibt oder dass man eben nicht im Urlaub in ein anderes Land fährt. Der Hintergrund dafür war, dass sie im Alter von 4 Jahren, im September 2004, mit ihrer Familie nach Österreich geflohen war und seitdem im Asylverfahren in Österreich steckte.

„Nach unzähligen Asylverfahren, Behördengängen und negativen Bescheiden musste sie mit ihrer Familie – nach 6 prägenden Jahren in Österreich – wieder zurück in die Mongolei ziehen. Da sie aber in Österreich aufgewachsen war, konnte sie kaum Mongolisch reden, geschweige denn in dieser Sprache schreiben.“

Sie musste also im Alter von 10 Jahren in der mongolischen Schule ein ganzes Alphabet neu lernen. Es stellten sich ihr so viele Hürden in den Weg, dass sie es nicht schaffte in der mongolischen Gesellschaft Fuß zu fassen. Deshalb planten ihre Eltern, nach 4 Jahren mühselig verbrachter Zeit in der Mongolei, im Dezember 2014 wieder nach Österreich zurückzukehren. Diese Nachricht erfüllte sie sofort mit Freude und Begeisterung. In Österreich konnte sie dann erfolgreich die Matura absolvieren, und mit einem Stipendium begann schließlich ihr akademischer Weg: Sie studiert in der Fachhochschule in Wiener Neustadt die Fachrichtung Wirtschaftsingenieur. Außerdem war und ist sie immer noch ehrenamtlich tätig, sie spielt in ihrer Freizeit im Volleyball-Verein Union (VCU) Wiener Neustadt.

Wie ein Schlag ins Gesicht kam im Mai 2018 wieder ein negativer Asylbescheid für die ganze Familie vom Bundesfremdenamt. Und das nahm kein Ende: eine Ablehnung nach der anderen. Sie musste schon wieder durch mühselige Verfahren gehen, sich in Interviews befragen lassen und Behördengänge gehörten wieder zu ihrem Alltag. 2020 wurde eine Beschwerde vom Bundesverwaltungsgerichtshof abgewiesen. Ihre Familie reichte mehrfach Beschwerden und Anträge bei zahlreichen Behörden ein, es gab jedoch keine Aussicht auf ein Licht am Ende des Tunnels. Der Richter beschloss sogar, dass ihre Abschiebung in die Mongolei zulässig sei. Für mich brach eine Welt zusammen. Sie wollten meine Frau, die hier aufgewachsen ist, die ihre Freunde, Familie und ihr Leben in Österreich hat, abschieben in ein Land, wo sie niemanden kennt und die Sprache nicht spricht, und wo sie eine Fremde ist.

Der Richter schrieb in seinem Beschluss, dass sie die mongolische Sprache beherrsche und sich ohne weiteres ein Leben in der Mongolei aufbauen kann. Es wurden falsche Behauptungen aufgestellt und Fragen gestellt, die offensichtlich darauf abzielten, einen Grund für ihre Abschiebung zu finden.

„Der Richter fragte sie bei der Verhandlung, ob sie arbeite. In dem Moment fühlten wir uns beide verspottet: Laut Gesetz darf ein*e Asylwerber*in nämlich nicht arbeiten, trotzdem hat sie es versucht und war beim AMS und bei der Caritas, um zu fragen, ob es nicht doch Möglichkeiten gäbe, eine Arbeit annehmen zu können. Einige Arbeitgeber hätten sie gern einstellen wollen, aber sie hörte immer nur, dass sie Asylwerberinnen nicht nehmen dürfen.“

Wenn man hautnah miterlebt, dass eine junge Frau, die in Österreich aufgewachsen ist, deren Muttersprache eigentlich deutsch ist und die sich gerade erfolgreich im Studium befindet, nicht in Österreich willkommen ist und abgeschoben werden muss, so ist das einfach nur erschütternd. Das Leben unserer gesamten Familie wird dadurch massiv beschädigt. Gelten Menschenrechte in Österreich nicht mehr, sind die Würde des Menschen und die Gerechtigkeit aufgegeben worden? Was meiner Frau geschieht, sehe ich als ein klares Zeichen für ein dysfunktionales System.

Als Partner möchte ich etwas dagegen tun und helfen, doch am Ende fühle ich mich so hilflos und ohnmächtig wie sie. Wir wollten nicht aufgeben und sie stellte deshalb einen Folgeantrag, der zurzeit in Bearbeitung ist.

„Gemeinsam hoffen wir auf ein baldiges Ende dieser Qualen und wünschen uns einfach nur ein sorgenfreies und selbstgestaltetes Leben, in dem wir nicht mehr damit rechnen müssen, dass ein Polizist vor der Tür steht und mit Schubhaft oder sofortiger Abschiebung droht.“

(Iderbat und Batkhuu, im Juni 2021)

Die Geschichten unserer Testimonials geben die subjektive Meinung der jeweiligen Autor_innen wieder und erheben keinen Anspruch auf Objektivität.

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