Wir lernten uns an einem kalten, dunklen und winterlichen Abend kennen. Schon beim ersten Treffen verstanden wir uns wunderbar – wir waren definitiv auf einer Wellenlänge, lachten viel und plauderten stundenlang über Gott und die Welt (oder eher eine Welt ohne Gott).
„Er erzählte mir von seiner Heimat, von der faszinierenden Geschichte der frühen Hochkulturen seines Landes und der traurigen Realität ohne Freiheit, vom Leben in den Fesseln eines Regimes, das ein Großteil der Bevölkerung ablehnt und wo die Menschen seit Jahren für ihre Rechte auf den Straßen demonstrieren und dafür Gefängnis, Folter oder Todesstrafe riskieren.“
Er kam vor einigen Jahren als Student nach Österreich, wollte mit seiner großen Leidenschaft Musik erfolgreich werden, suchte aufgrund der Gegebenheiten im Iran jedoch hier um Asyl an. Das war zum damaligen Zeitpunkt sechs Jahre her. Seitdem befand er sich in einem ewigen im Stand-By-Modus, irgendwo verloren zwischen Warten, Hoffnung, ausbeuterischer Schwarzarbeit, Geldnot und dem Versuch, nicht verrückt zu werden.
„Dass er, beziehungsweise später wir, noch sehr viel Zeit mit Warten verbringen würden, wussten wir zu diesem Zeitpunkt beide noch nicht – zum Glück, denke ich heute.“
Unser Kontakt intensivierte sich, wir lernten uns besser kennen und nach kurzer Zeit waren wir unzertrennlich. Der Frühling kam, die Tage wurden länger und wir genossen das lang ersehnte warme Wetter zusammen. Nun hofften wir gemeinsam auf ein baldiges Ende des Wartens und auf einen positiven Asylbescheid.
Nach einigen Monaten kam der lang ersehnte Brief und wir waren zuversichtlich, dass auch die zugeteilte Richterin anerkennen würde, dass in seinem Heimatland sein Leben bedroht wird. Doch es kam anders als erhofft und der Asylantrag wurde abgelehnt. Wir waren beide im völligen Schockzustand. Was würde eine Ausreise für ihn bedeuten? Für sein Leben? Für uns?
Er hatte laut Bescheid zwei Wochen Zeit, um Österreich freiwillig zu verlassen, ansonsten drohe ihm die Abschiebung
„Zwei Wochen! Zwei Wochen, um das hier aufgebaute Leben aufzugeben und in ein Land voller Gefahren für ihn, ohne Freiheit und Perspektive, zurückzukehren. Nach sechs Jahren!“
Wir telefonierten mit sämtlichen Organisationen und Anwält:innen, schrieben unzählige E-Mails und suchten verzweifelt nach Lösungen. Wir bekamen so viele teils widersprüchliche Informationen und wussten schlussendlich gar nicht mehr, was wir tun sollten.
Relativ schnell war für uns klar, dass wir heiraten wollen. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir, dass das ja der scheinbar einfachste Weg wäre – eine kurze Recherche zeigte uns das Gegenteil.
Wir fühlten uns völlig überfordert und hatten zu diesem Zeitpunkt gar keine Idee davon, was hier alles an bürokratischem Aufwand vor uns lag. Aus Plan A wurde Plan, B, C, D,… Irgendwie scheiterte jede einzelne potentielle Lösung aufgrund irgendeiner unerwarteten Hürde dann doch wieder.
Ich stieß schließlich auf den Verein Ehe und Grenzen und vereinbarte ein telefonisches Gespräch. Nach dem Telefonat hatten wir mehr Klarheit, aber wenig Hoffnung. Ein normales Leben rückte in die Ferne und wir wussten, dass unser Weg ein langer und ungewisser sein würde, aber wir waren bereit zu kämpfen!
Wir besorgten alle Dokumente, mussten diese übersetzen und diplomatisch beglaubigen lassen, was nicht nur zeit- sondern auch kostenintensiv war. Nach langem Warten hatte die Familie meines Mannes endlich alle Dokumente zusammen und schickte diese nach Österreich und wenige Wochen später heirateten wir schließlich im engsten Kreis in einer kleinen Gemeinde in Oberösterreich.
„Am Tag der Hochzeit waren wir sehr angespannt. Im Iran tobten zu diesem Zeitpunkt die schwersten Proteste seit Jahren und wir wussten um die bestehende Gefahr, dass die Fremdenpolizei die Hochzeit verhindern und meinen Mann in Schubhaft nehmen könnte.“
Umso glücklicher und erleichterter waren wir, als wir die Heiratsurkunde in der Hand hielten und einige Zeit später in Wien mit unseren Freund:innen anstoßen konnten – Wir hatten einen weiteren Meilenstein geschafft.
Ich informierte voller Freude unsere Beraterin von Ehe ohne Grenzen, die uns zu diesem Zeitpunkt schon über ein halbes Jahr immer wieder unterstützte und geduldig unsere Fragen beantwortete.
Er zog zu uns in meine damalige WG. Nun waren wir zwar verheiratet, dennoch hatte er nach wie vor keinen Aufenthaltstitel. Ich schrieb mich bei einer deutschen Universität ein, suchte mir eine Mietwohnung und studierte ein Semester in Deutschland. Somit hatte ich mein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen und wir konnten dann einen Antrag für die EU-Aufenthaltskarte bei der MA 35 stellen. Das ewige Warten begann von vorne. Der Beamte gab uns bereits beim Antrag zu verstehen, dass es nicht sicher wäre, ob mein Mann die Aufenthaltskarte bekommen würde.
In der Zwischenzeit zogen wir mit unserem Hund in unsere eigene Wohnung.
„Eines Tages stand die Polizei vor unserer Haustür. Sie behaupteten ohne Rechtsgrundlage (!), mein Mann wäre illegal im Land und ihm wurden alle Dokumente, inklusive seinem Reisepass, abgenommen.“
Ab diesem Zeitpunkt konnte er sich nicht einmal mehr wo ausweisen aber das Schlimmste für uns war, dass das BFA nun seinen Reisepass hatte und wir uns deshalb vor einer Abschiebung in den Iran fürchteten.
Völlig aufgebracht und mit Tränen in den Augen versuchte ich zu erklären, dass das Aufenthaltsrecht meines Mannes schon existierte und wir deshalb bereits vor sechs Monaten einen Antrag auf eine Aufenthaltskarte nach dem EU-Recht als Beweis dieses Rechts gestellt hätten und fragte, was jetzt passieren würde. Wir waren mittlerweile schon fast ein Jahr verheiratet.
„Die Beamtin lachte mich aus und meinte, dass der Antrag noch lange nicht bedeuten würde, dass er auch hierbleiben könne und er einen Brief zu einer Ladung bekommen würde. Außerdem seien wir selbst schuld, wenn wir uns nicht an die Gesetze hielten – was nicht stimmte!“
Ab diesem Zeitpunkt fühlten wir uns nicht mehr sicher in unserer eigenen Wohnung. Jedes Mal, wenn die Haustür läutete, zuckten wir zusammen und hatten Angst, diese zu öffnen. Ist es wieder die Polizei? Wollen sie ihn in Schubhaft bringen? Was passiert, wenn er abgeschoben wird? Kann es jemals eine gemeinsame Zukunft in Österreich geben? Wie lange können wir diese Ungewissheit noch ertragen? Unzählige Fragen raubten uns die Nächte.
Wir versuchten, die Warterei irgendwie erträglich zu machen. Mein Mann nutze die Zeit und besuchte Deutschkurse, arbeiten durfte er rechtlich gesehen zwar, aber das AMS weigerte sich dies zu bestätigen damit auch Arbeitgeber:innen über diesen Umstand Bescheid wussten. Irgendwann bekam er endlich die lang ersehnte Bestätigung. Darauf mussten wir mehrere Monate warten, unzählige Behörden abklappern und immer wieder Druck machen und unsere Rechte einfordern. Wenige Wochen später hatte er eine Arbeitsstelle und fühlte sich nach langer Zeit wieder wie ein Mitglied der Gesellschaft.
Durch seinen Arbeitsplatz erleichterte sich unser Leben enorm, da nun wenigstens der finanzielle Druck wegfiel.
„Eines Morgens stand erneut die Polizei vor unserer Tür – Verdacht auf Aufenthaltsehe. Nach wenigen Fragen schienen die Beamten jedoch überzeugt, dass wir tatsächlich ein Paar sind und verließen uns ohne unangenehme Fragen.“
Zehn Monate nach dem Einreichen des Antrages bekamen wir die lang ersehnte E-Mail – Das Verfahren wurde positiv abgeschlossen und die Aufenthaltskarte kann demnächst abgeholt werden. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits unter anderem eine Beschwerde bei der Volksanwaltschaft eingereicht und eine Anwältin konsultiert.
Wir waren überglücklich!
Rückblickend fragen wir uns manchmal selbst, wie wir das alles geschafft haben. Trotz der vielen Hürden, Unsicherheiten und schwierigen Zeiten haben wir nie die Hoffnung oder uns selbst aufgegeben – im Gegenteil – wir sind durch die Strapazen ein eingeschworenes Team geworden.
Dennoch hat diese Zeit Spuren hinterlassen.
„Wie soll man sich in einem Land willkommen oder sicher fühlen, wenn man derartige Diskriminierung und Schikane erlebt?
Und wie soll ich mich andersrum mit den „Werten“ meines Heimatlandes identifizieren können, wenn das offenbar bedeutet, das Leben und die Würde eines Menschen mit Füßen zu treten und uns unsere Grundrechte abzusprechen?“
Meine Sicht der Dinge hat sich in vielerlei Hinsicht verändert und leider hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass binationale Paare in Österreich derartiger Willkür ausgesetzt sind und ihnen so viele Steine in den Weg gelegt werden. Ob Österreich langfristig das Land bleiben wird, in dem wir leben wollen, ist derzeit für uns noch ungewiss.
Wir sind unglaublich dankbar, dass es Organisationen wie Ehe ohne Grenzen gibt, die hinsehen, wo Unrecht geschieht und Menschen in schwierigen Zeiten begleiten. Auf diesem Weg möchten wir uns noch einmal herzlich bei Erika Eisenhut bedanken, die nicht nur sehr professionell und emphatisch Beratungsarbeit leistete, sondern auch bei der Kommunikation mit Behörden unterstütze, wenn unsere Anfragen ignoriert wurden.
Auch hatten wir großes Glück mit unseren Familien und Freund:innen, die uns eine große Stütze waren.
„Paaren in einer ähnlichen Situation möchten wir mit auf den Weg geben, niemals aufzugeben, für ihre Rechte zu kämpfen und bei Behörden standhaft zu bleiben. Wir wurden so oft abgewimmelt oder uns wurde gesagt, dass etwas nicht möglich sei. Letzten Endes war mit viel Geduld, Hartnäckigkeit und ein bisschen Glück dann doch sehr viel mehr möglich.“
(Anonym, im Dezember 2023)
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