„ES BRAUCHT EHE OHNE GRENZEN, da es in Österreich ein strukturelles Rassismusproblem gibt. Oft auch und vor allem bei den Ämtern.
Es wird binationalen Paaren sehr schwer gemacht.
Um sich im Behördendschungel zurecht zu finden und sich gegen Willkür und Rassismus zu wehren, ist es wichtig eine unabhängige Stelle zu haben wenn man Hilfe oder Infos braucht.“
„Wir lernten uns im Internet kennen und hatten von Beginn an viel gemeinsam: Musik, Politik, Reisen, Sprachen.“ So unterhielten wir uns eine ganze Nacht lang über Messenger. Er legte die Karten gleich offen auf den Tisch und sagte, dass er im Asylverfahren ist, in erster Instanz „negativ“ bekam und seine einzige Möglichkeit hier zu bleiben eine Heirat wäre. Irgendetwas an ihm interessierte mich einfach. Ich wollte mehr wissen, mehr erfahren, ihn besser kennenlernen. Da wir nur 10 Minuten voneinander entfernt wohnten, trafen wir uns in einem Café. Beim ersten Treffen war er mir ziemlich unsympathisch, er war laut und betrunken.
„Aber er hatte ein so schönes Lächeln. Wir gingen bis spät am Abend spazieren und er erzählte mir von seinem Leben.“
Wie er im LKW versteckt nach Österreich kam. Wie er halb Europa zu Fuß durchquerte. Wie sie sich nachts im Wald verstecken mussten. Wie sie mit Waffen mit dem Umbringen bedroht wurden, wenn sie nicht weitergingen oder leise waren. Tagelang kein Essen und Wasser hatten und aus Pfützen tranken. Eigentlich wollten sie nach Belgien – zumindest wurde das von den Schleppern versprochen. Aus dem LKW wurden sie dann auf der Wiener Autobahn ausgesetzt.
„An diesem Abend brachte er mich nach Hause und schon am nächsten Tag wusste ich, ich hatte mich verliebt. Wir trafen uns nun regelmäßig bei mir zuhause. Ich wollte aber keine Beziehung zu der Zeit.“
Daher schrieb ich ihm fast täglich, dass wir uns nicht mehr treffen sollten. Aber schon am nächsten Morgen griff ich zum Telefon um um seine Stimme zu hören. So ging es ein paar Wochen. Zu Weihnachten erzählte ich dann meiner Familie von ihm und dass ich mir nicht sicher sei, ob ich tun sollte, was mein Herz mir sagt. Es fehlte einfach noch der Anlass, wirklich mit ihm zusammen zu sein. Der Anlass kam dann wenige Tage nach Weihnachten. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert.
„Mein Leben lang hatte ich mir noch nie so Sorgen um jemanden gemacht. Er musste notoperiert werden. Ich besuchte ihn jeden Tag. Gleich am ersten Tag brach er in Tränen aus, denn er sah keinen Sinn mehr.“
Er wollte nach Hause, er fühlte sich so allein. Ich fühlte so mit ihm. Drei Tage später krempelte ich mein gesamtes Leben um. Ich machte es offiziell, gestand ihm meine Liebe und er zog für eine Woche bei mir ein. Mitte Jänner besuchte ich ihn dann in seiner Wohnung. Sechs Menschen lebten dort auf 40m2. Er schlief auf einer zusammengerollten Matratze neben dem Kühlschrank. Das war der Tag, an dem ich ihm meine Wohnungsschlüssel gab.
Durch seine OP hatte er seine Arbeit, der er ohne Dokumente nachgegangen war, verloren. Da er bei mir einzog und ich gut verdiente, verlor er auch seine Grundversorgung. Ich hatte wirklich Panik vor einer Abschiebung. Daher beschloss ich Ende Jänner, dass wir heiraten sollten.
„Es folgte natürlich eine Odyssee an Büros, Konsulaten. Telefonaten und unzähligen Dokumenten.“
Im Sommer hatten wir alles beisammen. Aber trotzdem wurde uns eine Absage des Hochzeitstermins im September gegeben. Es fehlten wohl wieder irgendwelche Dokumente. Doch dann, Mitte November, als ich wieder nachfragte, hieß es plötzlich, wir könnten im Dezember heiraten. Wir heirateten also kurz vor Weihnachten. Eine Traumhochzeit im ganz kleinen Kreis. Wir schickten dann natürlich die Heiratsurkunde an das BFA.
Ein halbes Jahr später bekam er einen zweiten negativen Bescheid, allerdings ohne Aufforderung das Land zu verlassen. Wir sollten zum BFA gehen und dort einen Aufenthaltstitel beantragen, hieß es. Das taten wir.
Anschließend mussten wir uns einem Interview stellen und wurden getrennt voneinander befragt. 20 Minuten später sagte uns die Sachbearbeiterin, er könne bleiben und solle ganz schnell die A1-Deutschprüfung machen, damit er einen Aufenthaltstitel mit Arbeitserlaubnis bekommen könnte.
„Nun mussten wir jahrelang jedes Jahr den Aufenthaltstitel Familienangehöriger verlängern lassen.“
2014 machte er ein Sommerpraktikum beim Magistrat im Sozialbereich (dabei handelte es sich um ein Integrationsangebot des Bürgermeisters extra für Asylwerber*innen). Weil sie dort so zufrieden mit ihm waren, bekam er einen super Job bei der Regierung (!) und wurde jetzt sogar in der Coronakrise vom BMI als unverzichtbarer Arbeiter ausgezeichnet.
Ein Jahr später flogen wir in seine Heimat um auch dort in kleinem Kreis zu heiraten und seine Familie kennenzulernen. 2018 kam – unser größter Wunsch – unser Kind, zur Welt. Gesund und munter und unser größtes Glück. Und noch ein freudiges Ereignis steht kurz bevor: Wir werden dieses Jahr den Daueraufenthalt beantragen.
„Wer hätte gedacht, dass aus einem zerstörten Leben mit etwas Hilfe und viel Liebe etwas so Großartiges wachsen kann. Drei liebende Menschen. Eine Familie. Alles ist möglich, wenn der Staat uns nur lässt.“
(Anonym, im Mai 2020)
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