Sprache ist uns wichtig!

Bemerkungen zum Sprachgebrauch von Ehe ohne Grenzen

Worte können wie winzige Arsendosen sein. Sie werden unbemerkt verschluckt; sie scheinen keine Wirkung zu haben – und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da“
(
Victor Klemperer 1946[1]).

Wörter haben Macht und können diskriminieren, verbale Gewalt ist nicht zu unterschätzen. Vor allem im Kontext des Kolonialismus war Sprache ein wichtiges Medium der Legitimation. Afrika wurde als homogen und unterlegen, als „das Andere“ dargestellt, welches die Zivilisierung durch Europa benötigt. Umso machtvoller der Sprachgebrauch ist, umso größer und häufiger ist seine Verbreitung. Ständige Wiederholungen von bestimmten Wörtern, Phrasen oder Ausdrucksweisen aus einer Machtposition heraus schaffen ein Selbstverständnis in ihrer Verwendung und im Denken, und machen es immer schwieriger diese als diskriminierend zu identifizieren. Eine Suche nach alternativen Benennungen und die Auseinandersetzung mit ihrer Entstehung werden verdrängt und diskriminierende Begriffe häufig sogar von den so bezeichneten Gruppen selbst verwendet, was jedoch keine Rechtfertigung für deren Verwendung ist, sondern aufzeigt, wie die Wirkungsmacht der Sprache funktioniert[²].

Neben der kritischen Reflexion und Auseinandersetzung mit (historisch) belasteten Wörtern braucht es auch ein Selbstverständnis des Nicht-Verwendens bzw. eine Verwendung angemessener und menschenwürdiger Begrifflichkeiten.

Wir von Ehe ohne Grenzen haben daher eine Liste von Wörtern zusammengetragen, die eine genauere Beleuchtung benötigen und die wir in unserem Sprachgebrauch nicht verwenden:

>> „Asylant_in“ <<
Abwertende Bezeichnung von Asylsuchenden, auf die ganz allgemein verzichtet werden sollte. Der Begriff existiert rechtlich gesehen nicht.

>> Der/die Fremde <<
Der Begriff wird im vorliegenden Hintergrundbericht ausschließlich als juristischer Begriff gem § 2 Abs 4 Z 1 FPG verwendet und wiedergegeben. Darunter werden Menschen verstanden, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Der Begriff wird nicht als Fremdbild, dem ein Selbstbild gegenübergestellt ist, oder als Gegenbegriff zu Bekanntem, Vertrautem, etc. verstanden.

>> Heimatland<<
Der Begriff Heimat ist komplex. Er geht über die geographische Bedeutung hinaus und umfasst beispielsweise ebenso Zugehörigkeitsgefühle. Er ist nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit dem Geburtsland einer Person. Wir empfehlen daher den Begriff Herkunftsland.

>> „Migrationshintergrund“ <<
Gemäß Statistik Austria werden als Personen mit „Migrationshintergrund“ Menschen bezeichnet, deren Eltern im Ausland geboren wurden (bzw. zumindest ein Elternteil). Es wird zwischen Migrant_innen der ersten Generation, also Personen, die selbst im Ausland geboren wurden und Zuwanderer und Zuwanderinnen der zweiten Generation unterschieden, also Kindern von zugewanderten Personen, die aber selbst im Inland zur Welt gekommen sind. Bis in die 1980er-Jahre wurde noch vor allem zwischen „Inländer_innen“ und „Ausländer_innen“ differenziert, erst danach stellten die Wissenschaft und andere Bereiche der Gesellschaft diese Herangehensweise zunehmend in Frage.

Bernhard Perchinig und Tobias Troger haben sich im Rahmen der Europäischen Wertestudie 2011[3] geschichtlich sowie empirisch mit dem Begriff “Migrationshintergrund” auseinandergesetzt, in Österreich wurde der Begriff 2008 eingeführt. Sie gingen der Frage nach, wie sinnvoll die Kategorie “Migrationshintergrund” in wissenschaftlichen und alltäglichen Kontexten überhaupt ist und sparten dabei nicht an Kritik: Die Definition, was “Migrationshintergrund” bedeutet, sei zu unterschiedlich – und immer wieder politisch motiviert. Zudem würden so verschiedene, sehr unterschiedliche Gruppen in einen Topf geworfen: „Kategorien, die wie der Begriff ‚Migrationshintergrund‘ in der amtlichen Statistik eine derart breite Vielfalt von heterogenen Lebenslagen umfassen, sind wissenschaftlich kaum nützlich“, heißt es im Bericht. Perchinig und Troger warnen vor einer unkritischen Verwendung des Begriffs[4].

Der Psychotherapeut Eben Louw aus Berlin plädiert für eine Reflexion des Begriffs. Der Zusatz „mit Migrationshintergrund“ wird oft gezielt eingesetzt, um Menschen in eine Gruppe zusammenzufassen, die vom Erscheinungsbild her als „anders“ wahrgenommen und damit als gesellschaftlich unerwünscht betrachtet werden. Die Bezeichnung „mit Migrationshintergrund“ wird dadurch zu einem vorurteilsbeladenen Sammelbegriff für Menschen, die von struktureller Diskriminierung betroffen sind. Seine Verwendung ist somit rassistisch motiviert. Das zeigt sich laut Louw auch daran, dass Weiße mit “Migrationshintergrund” nicht in diese Gruppe eingeordnet werden.[5] Alternativ könnte etwa der Begriff Migrationsgeschichte verwendet werden bzw. zur Gänze darauf verzichtet werden.

>> Das N-Wort <<
Das N-Wort steht für die Herabwürdigung und Entmenschlichung Schwarzer Menschen. Als Millionen Afrikaner_innen versklavt wurden, ist dieses Wort von spanischen und portugiesischen Sklavenhändler_innen zur pauschalen Benennung von Afrikaner_innen benutzt worden. Der Gebrauch des Begriffes im Deutschen ist diskriminierend und rassistisch. Das Wort selbst wird von Ehe ohne Grenzen auch nicht ausgeschrieben – sollte es in irgendeinem Zusammenhang vorkommen wie etwa bei zitierten Äußerungen von Beamt_innen – und somit nicht mehr reproduziert.

>> Schwarz/Schwarzsein << bezeichnet eine politische und soziale Konstruktion, keine biologische Eigenschaft. Dieser Begriff beschreibt also nicht die Hautfarbe von Menschen, sondern eine Konstruktion, die Schwarzen Menschen eine bestimmte soziale Position zuweist. Schwarz wird daher auch als Adjektiv in diesem Bericht groß geschrieben.

>> Schwarzafrika / Subsahara-Afrika <<
Der Begriff ist im Kontext von Kolonialismus und Rassismus entstanden und baut auf dem rassistischen Ansatz auf, Menschen in „Rassen“ unterteilen und diese hierarchisieren zu können. Er beruht auf dem Konzept, die Bewohner_innen nach ihren angeblichen Gemeinsamkeiten (wie etwa der Hautfarbe) einzuteilen und sie zu homogenisieren. Gelegentlich wird der Begriff auch verwendet, um einen Kontrast zu einem „weiß“ konzipierten Europa herzustellen. Somit werden zusätzlich zum Norden Afrikas beispielsweise auch Weiße Minderheiten in ehemaligen Siedlerkolonien wie Simbabwe, Südafrika oder Namibia ausgeklammert und zum anderen die Existenz Schwarzer Europäer_innen geleugnet. Demzufolge sind auch Begriffe wie der dunkle Kontinent oder Ähnliches als stereotype Zuschreibung abzulehnen.

Der vielmals verwendete Begriff „subsaharisches“ Afrika oder „Subsahara-Afrika“ ist keine Alternative. Der rassentheoretische Ansatz kommt hier zwar nicht mehr explizit zum Ausdruck, trotzdem wird suggeriert, dass Afrika südlich der Sahara ein homogener Raum ist. Die zahlreichen Länder, die in den Begriff eingeschlossen werden, unterscheiden sich vielfältig durch ihre Religionen, Staatsformen, Klima etc. Es ist daher zu empfehlen, die geografischen Begriffe wie Ostafrika, Westafrika, etc. oder direkt die jeweiligen Länder, Regionen oder Städte beim Namen zu nennen.[6]

>> „Scheinehe“ <<
„Scheinehen“ oder Aufenthaltsehen im Sinne eines Straftatbestandes – nämlich dass ein/e „Ehepartner_in“ Geld nimmt, um jemanden zu heiraten, der/die sich dafür eine Aufenthaltsgenehmigung erhofft – gab es, gibt es und wird es wahrscheinlich immer geben. Fakt ist, dass die Strafandrohung dazu benützt wird, jedwede Form der (ehelichen) Partnerschaft und Familie von Österreicher_innen mit drittstaatsangehörigen Partner_innen und Kindern in Frage zu stellen, zu kriminalisieren und zu behindern.

Was dieser Sachverhalt mit der Initiative Ehe ohne Grenzen zu tun hat, ist für uns nicht auf einen Blick ersichtlich. Ehe ohne Grenzen berät Paare, als Einzelperson oder auch zu zweit, über ihre rechtliche Situation, von einer Heiratsabsicht/Verpartnerung bis zur Beantragung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die Motive für eine Heirat sind dabei nicht von Interesse.

>> undokumentiert vs. „illegal“ <<
Keine Aufenthaltserlaubnis zu haben, ist in den meisten Ländern keine Straftat. Da es sich nicht um ein Vergehen gegen Personen, Eigentum oder die nationale Sicherheit handelt, gehört dieser rechtliche Sachverhalt in den Bereich des Verwaltungsrechts. In Ländern, in denen Verstöße gegen das Einwanderungsgesetz eine Straftat darstellen, macht das Begehen einer solchen Straftat dennoch niemanden zu einer „illegalen“ Person, daher ist der Begriff rechtlich nicht korrekt und irreführend. Ein Individuum oder eine Gruppe von Personen als „illegal“ zu bezeichnen und zu behandeln, verstößt außerdem gegen deren Recht auf Anerkennung als Person und Rechteinhaber_in vor dem Gesetz. Zudem stellt das Wort „illegal“ Menschen als unaufrichtig, unwürdig und kriminell dar.

„Migrant_innen ohne (gesicherten) Aufenthaltsstatus“, „undokumentierte_r Migrant_in“ und/oder „irreguläre_r Migrant_in“ sind international anerkannte Bezeichnungen und entsprechende Begriffe existieren in allen Sprachen. Viele Institutionen und Personen haben sich bereits verpflichtet, den Ausdruck “illegale_r Migrant_in” zu vermeiden; einschließlich Politiker_innen, Menschenrechtler_innen und Medien.

Da das Wort „illegal“ zum Stigma in meinem täglichen Umgang mit Menschen geworden ist, habe ich angefangen mich selbst zu fragen ob ich wirklich „illegal“ bin. Natürlich bin ich das nicht und werde es nie sein. Ich bin undokumentiert“ (Undokumentierter Migrant aus den Philippinen der in den Niederlanden lebt[7]).

Weiß/Weißsein bezeichnet ebenso wie “Schwarzsein” keine biologische Eigenschaft und keine Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit Weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt.

 

[1] Vgl. Klemperer. LTI. Notizen eines Philologen. Leipzig 1987 (Erstveröffentlichung 1956). 21.
[2]  Vgl. Arndt, Hornscheidt (Hg.). Afrika und die deutsche Sprache. Münster 2009. 18ff.
[3] Herausgeberin der Wertestudie 2011 ist Regina Polak von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
[4] Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen (MSNÖ), März 2012:             http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2012/03/15/forscher-migrationshintergrund-sensibel-verwenden/ (zuletzt aufgerufen am 8.8.2016)
[5] Vgl. Großer-Kaya, Karadeniz, Treichel. Väter in interkulturellen Familien. Frankfurt a. M. 2014. 178f.
[6] Vgl. Arndt, Hornscheidt (Hg.). Afrika und die deutsche Sprache. Münster 2009. 204f.
[7] Kampagne von PICUM unter: picum.org/de/arbeitsgebiete/sprachgebrauch